Ein alter Radiofuchs live bei der EM
Montag 16. Juni 2008 von Bruno Etzenberger
Bericht zum Match Österreich gegen Polen am 12. Juni 2008
Ausgangslage
Ich bin blind und seit meiner Kindheit, also schon seit fast 50 Jahren, Fußballfan. Und so wollte ich die Gelegenheit nutzen, bei der Heim-EM dabei zu sein. Als Begleiter war mein Arbeitskollege und Freund Dieter dabei. Er ist hörbehindert, eine besondere Herausforderung bei einer so großen Veranstaltung mit entsprechender Geräuschkulisse.
Anfahrt
Diese war einfach – mit der U 2 vom Büro direkt zum Stadion. Die U-Bahn war gut gefüllt, aber wir fanden sogar noch einen Sitzplatz. Und im Stadion waren wir ziemlich schnell bei unseren Sitzplätzen. Die Sicherheitskontrolle bestand aus einem kurzen Abtasten nach eventuellen verdächtigen Gegenständen. Mein Nylonsackerl wurde jedoch nicht durchsucht. Ich hätte also leicht etwas mitnehmen können.
Das Spiel
Da wir schon früh dran waren, konnten wir noch ein Stück des Spieles Deutschland gegen Kroatien erleben, leider nur auf dem Bildschirm, aber Dieter erzählte mir alles, und wir verfolgten, wie unsere deutschen Nachbarn 2:1 verloren. An Stelle der lauten Musik wäre mir der Fernsehkommentar lieber gewesen. Dann wurde Stimmung gemacht. Die österreichischen und polnischen Fans jubelten und sangen in ziemlich gleicher Lautstärke. Kurz vor dem Spielbeginn erhielt ich das Empfangsgerät für die Audiobeschreibung, ein kleiner UKW-Empfänger. Ich hatte schon einmal ein Spiel mit Audiokommentar miterlebt, vor eineinhalb Jahren in Nürnberg, und war davon begeistert. So war ich darauf sehr gespannt.
Markus aus Deutschland merkte man an, dass er schon mehr Erfahrung im dem Kommentieren hat, aber auch unser steirischer Florian bemühte sich sehr, und miteinander waren sie ein tolles Team, dass mir eine ausgezeichnete Spielbeschreibung lieferte, sodass ich über das Spielgeschehen immer zeitnah informiert war und mitjubeln oder -trauern konnte. Florian verriet sich als Steirer durch seine Ansage, dass Hicki den Sturmangreifer Haas nicht mitgenommen hat, eine Meldung, die ich nach den Stürmerleistungen durchaus nachvollziehen kann.
Anfangs hatte ich mit dem Gerätchen etwas Probleme, denn jedesmal, wenn ich bei einem der anfangs häufigeren österreichischen Angriffe aufsprang, war der Sender weg und ich empfing dann zum Beispiel Radio Niederösterreich oder Ö3. Als alter Radiofuchs fand ich den Kommentar aber schnell wieder. Uns so bewegte ich mich nicht mehr so oft und mit mir auch unsere Spieler. So gerieten wir 0:1 in Rückstand. Doch ich gab die Hoffnung nicht auf. Wir hatten gute Plätze, Dieter lieferte zusätzlich seine Kommentare ab und was er nicht hörte, übersetzte ich für ihn – auch wir ein tolles Team.
Auch der Zugang zu den Toiletten war kurz und so konnte ich meine vom Cola geplagte Blase in der Pause rasch befreien. Die zweiter Hälfte verlief dann etwas langweiliger und ich tröstete mich mit einem Eis. Die mobilen Verkäufer sorgten für das leibliche Wohl der 51.428 Zuschauer. Und damit ich die tolle Stimmung und die Kommentare von Dieter nicht verpasste und auch meinen Senf dazu geben konnte, steckte ich den Kopfhörer nur in ein Ohr. Und dann wurden die österreichischen Fans belohnt mit dem Vastic-Elfer in der letzten Minute. So verpasste ich die Verabschiedung der Kommentatoren und sang und sprang mit. Wir können zufrieden sein, lautete mein Kommentar.
Rückfahrt
Es war ein doch recht weiter Weg vom Stadion zu meiner Wohnung. Doch es ging sensationell schnell und wir hatten in der U-Bahn mit Gesängen und Scherzen noch unser Vergnügen.
Gesamteindruck
Ausgezeichnete Organisation im Stadion und bei den Verkehrsmitteln, freundliches Personal überall und eine gewaltige Stimmung. Die Polen waren sehr laut und freundlich. So hob ein polnischer Fan meine verlorengegangene österreichische Fahne auf. Dank des Audiokommentars konnte ich das Spiel voll mitverfolgen und Maria Grundner als Vertreterin der Plattform football 4 all organisierte alles ausgezeichnet. Auch für gehörlose Fans waren, wie mir Dieter erzählte, die Monitoranzeigen sehr hilfreich.
Wünsche für die Zukunft
Ich würde mich freuen, wenn es künftig zum Beispiel bei Spielen der österreichischen Nationalmannschaft auch Audiobeschreibungen geben würde. Sturm Graz hat für Österreich einen guten Anfang gemacht. Es ist schade, dass die Audiokommentare nur für die wenigen blinden und sehbehinderten Zuschauer der Fußball-EM in den Stadien durchgeführt werden. Eine Übertragung im TV-Zweikanalsystem oder auf einem UKW-Sender käme auch jenen zugute, die nicht im Stadion sind. Zu Beginn meiner Fußballzeit wären Audiokommentare oft nicht notwendig gewesen, da es im Radio ausgezeichnete Übertragungen einer Hälfte oder des ganzen Spieles gab.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 16. Juni 2008 um 10:18 und abgelegt unter Ballgeschehen, Fanberichte. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.